Hanna Düspohl im Gespräch mit Hannah Schreiner, Philine Stich und Laura Vorsatz
Seit dem 9. Dezember kann jeder im Café der Kulturfabrik die Ausstellung No.1 bewundern. Ich habe die Künstlerinnen auf der Vernissage getroffen und mir ein paar Fragen von ihnen beantworten lassen. Kommt vorbei und macht euch selbst ein Bild bei einem gemütlichen Kaffee am Nachmittag oder einem Bier nach Vier.
Hallo ihr Drei!
Zuerst einmal: Könnt ihr euch kurz vorstellen? Wer seid ihr? Was macht ihr beruflich?
Hannah: Ich bin 26 Jahre alt. Momentan studiere ich Geschichte und Kultur der Wissenschaft und Technik an der TU Berlin im Master und arbeite in Teilzeit im Onlinemarketing für einen E-Commerce Shop. Ich möchte nach meinem Master dann im Kultursektor arbeiten. Gerne im Organisatorischen/Management Bereich, aber eben kulturell ausgerichtet. Ich komme gebürtig aus Frankfurt am Main, habe in Ilmenau meinen Bachelor in Medienwirtschaft gemacht und lebe jetzt seit fast drei Jahren in Berlin.
Laura: Ich bin auch 26 Jahre alt und komme ursprünglich aus Leipzig. Wegen meines Studiums der Kulturwissenschaften bin ich nach Berlin gezogen. Nebenbei arbeite ich in einer Content Marketing Agentur.
Philine: Ich studiere in Weißensee Bühnen-und Kostümbild und bin 25 Jahre alt. Ich komme auch aus Leipzig. Das Studium hat mich dann hier hin verschlagen.
Am 9.12. habt ihr eure Ausstellung No. 1 im Café der Kulturfabrik mit einer Vernissage eröffnet. Wie kam es dazu, dass ihr eure Kunst in der Kulturfabrik zeigen wolltet und wie lange kann man eure Gemälde und Fotografien noch sehen?
Hannah: Philine kenne ich über Laura (die Fotografin). Beiden sind zusammen zur Schule gegangen und Laura kenne ich aus meinem Bachelor in Ilmenau. Ich kannte Philines Bilder und hab sie gefragt, ob sie Lust hat mit mir was auf die Beine zu stellen. Wir fanden unsere Bilder passen irgendwie ganz gut zusammen, weil wir uns beide viel mit Menschen in unseren Bildern auseinandersetzen. Laura kam mit an Bord, weil sie schon lange tolle Fotos schießt und wir zu dritt ein gutes Team abgegeben haben.
Laura: Genau, Hannah und Philine kennen meine Fotos schon lange, da ich einen Blog und einen Instagram-Account (@pfau_photography) damit befülle und haben mich, als die Kulturfabrik sich bereit erklärt hatte, eingeladen mit auszustellen.
Hannah: Ich wohne direkt gegenüber von der Kulturfabrik, weshalb mir die als Erste einfiel, als es darum ging eine geeignete Location zu finden. Das war dann auch alles so nett und unkompliziert, dass ich an dieser Stelle der KuFa nochmal einen riesigen Dank aussprechen möchte.
Unsere Bilder hängen jetzt noch bis in die erste Januarwoche rein im Café der Kulturfabrik und wir hoffen in dem nächsten Jahr wieder so viel produzieren zu können, um der No. 1 eine No. 2 folgen zu lassen.
Das klingt gut!
Zuerst möchte ich zu den Fotografien kommen. Laura: Die Fotografien zeigen Ansichten größerer Städte aus verschiedenen Perspektiven. Neben einer Fotografie eines idyllischen Sonnenuntergangs hängt auch ein Bild, das eine Bauruine zeigt. Kannst du kurz beschreiben, wo die Bilder entstanden sind und mit welcher Intention die Fotografien zueinander stehen?
Laura: Auf den 10 Fotos reist der Betrachter durch sechs Länder:
(von oben nach unten, von links nach rechts)
Peru (Arequipa), Mexiko (Mexiko Stadt), Indien (Kalkutta und daneben Varanasi), Argentinien (Buenos Aires), Russland (St.Petersburg), 2x Argentinien (Buenos Aires), Schottland (Edinburgh) und noch einmal Argentinien (Buenos Aires)
Ich zeige Fotos, die zwischen den Jahren 2010 und 2017 entstanden sind. Als ich die Fotos aussuchte, begann ich mit einem meiner Lieblingsbilder aus Edinburgh: Es zeigt ein kleines Mädchen an einem Stadtstrand, das mir ähnlich ist. Ich liebe die Farbe und den Kontrast, der Fokus ist auf den Punkt. Von hier aus suchte ich nach passenden Mitstreitern: Die Frau in St. Petersburg stellt einen ähnlichen Farbpunkt dar, wie das Mädchen in Edinburgh. Von da aus war das städtische Motiv besiegelt – auf meinen Reisen habe ich zwar eher Naturaufnahmen gemacht, da ich mein Auslandssemester jedoch in Buenos Aires verbrachte, sind viele städtische Aufnahmen dazu gekommen. Dabei interessiert mich zudem das Zusammenspiel von Stadt und Natur, beziehungsweise ihre Gegensätze: So sehen wir die durch das Gebirge begrenze Stadt Mexico Ciudad im Sonnenuntergang, die Wolkenkratzer in Buenos Aires aus Perspektive des Reserva Ecológica de Buenos Aires, der grünen Lunge der Stadt und natürlich das Edinburgh-Foto mit Strand und Hochhaus. Arequipa und Buenos Aires (Mitte 3. von links und unten ganz rechts) zeigen Fluchten, die ja so gut wie jede Stadt fotogen machen. Auch auf dem Varanasi-Foto (Mitte 2. von links) ergeben sich tolle Linienspiele. Die Kompositionen meiner Fotos, die Linienführung machen für mich rein ästhetisch gesehen einfach Sinn. Ich sehe dann so etwas wie Schönheit.
Auf den Fotografien befinden sich trotz dem städtischen Umfeld wenig Menschen. Wie siehst du das Verhältnis zwischen Mensch und Großstadt?
Laura: Wahrscheinlich müssen sich die Menschen in meinen Fotos den ästhetischen Ansprüchen beugen – leider tun sie das viel zu selten.
Nein, ich weiß nicht. In den ausgewählten Fotos passen sie immer sehr gut in die Komposition.Ich denke in Kombination mit Philines und Hannahs Bildern hat es keine weiteren Menschen mehr gebraucht – ich suche da immer nach dem Ausgleich: Mit Beton geht das ganz gut. In meinen Fotos gehören die gezeigten Menschen, wenn auch nur in Nebenrollen, genau dahin, wo sie sind: Sie atmen und leben mit der Stadt. Sie stehen weder über noch unter ihr, sie sind, existieren, mit ihrem Lebensraum. Zum Teil fallen sie ja nicht einmal auf. Ich finde genauso lebt es sich auch in Großstädten – es ist nun einmal anonymer. Ich persönlich sehe darin weniger einen Nachteil und mehr meine Freiheit. Nichtsdestotrotz mag ich die Vorstellung, dass dieses kleine Mädchen im pinken Badeanzug mein Gesicht für Edinburgh geworden ist und der geschäftige Anzugträger im schnellen Schritt, aber sanften Sonnenschein mir etwas von dem Lebensgefühl geben kann, das ich in Buenos Aires hatte (Mitte, drittes Foto von links).
Danke Laura.
Hannah, deine Gemälde zeigen sowohl alltägliche- als auch biblische Szenen. Was reizt dich daran, diese Geschichten in deinen Bildern aufzugreifen?
Hannah: Ich male häufiger biblische Szenen – nicht weil ich religiös bin – sondern weil ich das Thema Religion als Kulturgut ziemlich spannend finde und mich demografisch bedingt am ehesten in der christlichen Kultur auskenne. Ist doch faszinierend, dass sich Menschen das alles ausgedacht haben und sich so die Welt erklärt haben. Ich versuche mir mit diesen Symbolen dann meine subjektive Welt zu erklären und „benutze“ die Geschichten oder Personen quasi, um sie für mich und meine Gefühlswelt zu nutzen. Meine Bilder sind ziemlich autobiografisch, aber so kann ich doch einen Filter drüber legen. Das erleichtert das Ganze – meine Tagebücher hätte ich jetzt nicht unbedingt ausstellen wollen.
Mir ist aufgefallen, dass die Gemälde von dir und Philine Gemälde oft weibliche Figuren in den Vordergrund stellen, die mit anderen interagieren oder auch alleine dargestellt werden. Hat dies einen bestimmten autobiografischen Hintergrund?
Hannah: Ja auf jeden Fall: Wer mich kennt und meine Bilder sieht, der kann, glaube ich, schon einiges daraus lesen. Zumal ich schon viel mit Symbolik arbeite. Mein liebstes Beispiel ist das Bild von der Frau mit dem Pferd. In dem Fall ist es allerdings an die griechische Mythologie angelehnt. Die erste Prothese war, den griechischen Sagen zufolge, eine Schulterprothese aus Gold. Als ich klein war hatte ich die Sagen auf Kassette und konnte sie alle auswendig runter rattern. Das Pferd ist ja eigentlich ein Pflanzenfresser und eher friedfertig, aber hier ist das Bild das man von einem Pferdemädchen im Kopf hat, ja ziemlich auf den Kopf gestellt. Ich finde es recht brutal, aber ich glaube zur Zeit ist es mein Lieblingsbild. Vielleicht auch, weil ich froh bin, dass das Gefühl dahinter nicht mehr aktuell ist.
Neben diesem Autobiografischen male ich auch einfach gerne Haut und ich finde den weiblichen Körper, ehrlich gesagt, interessanter und vielfältiger, wenn es um seine Darstellung geht. Ich kann auch einfach besser einen weiblichen Körper malen als einen männlichen. Das mag aber auch daran liegen, dass ich ihn besser kenne, weil er auch meiner ist.
Philine: Für mich hängt malen, Theater und Film zusammen. Eigene Bildwelten kreieren und Figuren auferstehen lassen, die ich in Beziehung zueinander setze.
Sie erinnern mich an Gemälde aus dem Expressionismus. Hast du besondere Vorbilder dieser Zeit und wie hat sich dein eigener Stil entwickelt?
Philine: Klar, Expressionismus ist ein Stil den ich liebe, die Wildheit und die starke Farben inspirieren mich total. Kirchner ist spitze und Max Beckmann!
Malen ist meine Sprache und ich suche immer andere Wörter. Meine Figuren kommen aus mir heraus, aber transzendieren doch oft auch ein Gefühl, dass ich denke, mit anderen in dieser Gesellschaft zu teilen. Atomisierte, getriebene, verfremdete Menschen zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch.